Corona

12.08.2020

Corona - Gefahren und Herausforderungen für Rehabilitation und Teilhabe in Deutschland

Kurz-, mittel- und langfristige Gefahren und Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie im Hinblick auf Rehabilitation und Teilhabe - Einschätzungen des SoVD
Die COVID-19-Pandemie hat „wie unter einem Brennglas“ deutlich gemacht, wie fragil Hilfen und Unterstützung für Familien sind bzw. in Krisenzeiten schnell werden können.
Das gilt in ganz besonderer Weise, wenn keine begleitenden Dienste oder Einrichtungen flankierend bereitstehen und die Interessen der betroffenen Menschen mit Behinderungen bzw. mit Pflegebedarf (im Folgenden: „Betroffene“) stellvertretend mit einfordern können.
Aus unserer Mitgliedschaft haben wir vielfältige Rückmeldungen erhalten, wie überfordert, überlastet und alleingelassen sich die Betroffenen und ihre Familien gefühlt haben bzw. weiterhin fühlen.

1. Erschwerter Zugang zu Schutzausrüst-ungen für Betroffene und ihre Familien
Beim Zugang zu Masken, Schutzausrüstung, Desinfektionsmitteln etc. fanden die Interessen von Krankenhäusern und anderen Gesundheitsdiensten enorme Unterstützung durch das BMG. Nachfolgend konnten auch Einrichtungen der Behindertenhilfe und Pflegeheime ihre Bedarfe platzieren. Sie fanden politisches Gehör und ggf. auch Unterstützung bei der Beschaffung. Hintenan beim „Wettlauf um Schutzaus-rüstung“ standen dagegen Familien, die die Pflege und Betreuung ihrer pflegedürftigen oder behinderten Angehörigen privat schultern mussten. Ihre Bedarfe wurden nicht strukturell unterstützt. Sie waren und sind bei der Beschaffung weitgehend auf sich selbst gestellt. Zugleich waren sie mit erheblichen Mehr-kosten durch die Beschaffung konfrontiert.
Der SoVD regt vor diesem Hintergrund an, Strukturen zu schaffen, die die Familien gerade in Krisensituationen bei der Beschaffung unterstützen und Bündelungen ermöglichen. Sie könnten z.B. bei den Pflegestützpunkten oder den Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen angedockt werden. Die Kosten für notwendige Schutzausrüstung etc. dürfen nicht auf die Betroffenen und ihre Familien abgewälzt werden.

 

2. Defizite zum Zugang zu unterstützenden Diensten für Betroffene und ihre Familien
Für die betroffenen Menschen und ihre Familien brachen mit der COVID-19-Pandemie zahlreiche ambulante Unterstützungsstrukturen und Hilfen weg. Viele ambulante Tagespflegeeinrichtungen schlossen, Werkstätten durften nicht mehr betreten werden, 24-Stunden-Pflegekräfte reisten in großer Eile zurück in ihr Heimatland.
In der Krise blieben die Betroffene und ihre Familien plötzlich ganz auf sich allein gestellt, sozialstaatliche Unterstützung brach in großem Maße ersatzlos weg. Anders als für Menschen, die in Einrichtungen leben, fehlten für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen in der eigenen Häuslichkeit plötzlich in großem Ausmaß externe Hilfen. Die Familien wurden zum „Ausfallbürgen“ sozialstaatlicher Leistungen.

Die Krise machte auch deutlich, wie fragil ambulante Hilfen sein können, wenn eine Pflege- und Assistenzperson wegen einer COVID-19-Erkrankung ausfällt. Die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen sind hier nicht nur physisch, sondern auch psychisch großen Belastungen ausgesetzt, da sie auf die Unterstützung und Hilfen existenziell angewiesen sind. Zusätzlich belastet wird die Situation, wenn wegen der Pflege und Betreuung eine berufliche Tätigkeit nicht mehr möglich ist und Gehaltseinbußen drohen. Die außerordentlichen Belastungssituationen in den Familien wurde bzw. wird in der politischen Diskussion leider nur unzureichend aufgegriffen; Entlastungen werden nur stückweise und oft erst nach längeren Zeiträumen auf den Weg gebracht.
Eine finanzielle Anerkennung der Leistungen in den Familien in der Krise, z.B. durch pflegende Angehörige, wird nicht diskutiert. Zumindest wäre es dringend erforderlich, subsidiäre Hilfesysteme zu diskutieren, wie bei Wegfall externer Hilfen den Betroffenen und ihren Familien gleichwohl sozialstaatliche Hilfe und Unterstützung vermittelt werden kann (z.B. kommunale Anlaufstelle und „Notfallpool“ für pflegerische Unterstützung oder Assistenz).

3. Besuchsverbote in Einrichtungen im Span-nungsfeld zwischen Fürsorge und Selbstbe-stimmung
Stationäre Einrichtungen der Pflege und der Behindertenhilfe sind in besonderer Weise gefähr-det, dass sich das Virus dort schnell ausbreitet und viele Menschen erkranken. Zudem handelt es sich dort um besonders vulnerable Gruppen, die schwer erkranken können. Vor diesem Hintergrund hat der SoVD Verständnis für das Bestreben der Einrichtungen, größtmöglichen Schutz vor Infektionen sicherzustellen. Dem dienten u.a. strikte Besuchs-/Ausgangsbeschränkungen

Jedoch muss auch in Krisenzeiten im Blick bleiben, dass Menschen ein Bedürfnis nach sozialer Nähe und Kontakten zu vertrauten Menschen haben sowie größtmöglich selbst über ihr Leben bestimmen und teilhaben möchten. Es gilt, Aspekte von Schutz/Fürsorge gegen die von Selbstbestimmung/Teilhabe immer wieder neu zu justieren.
Insofern war richtig und notwendig, die anfangs bestehenden strikten Besuchsverbote (z.T. auch Ausgangsbeschränk-ungen) zu lockern und den Schutz durch anderweitige Maßnahmen sicherzustellen. Der SoVD verweist darauf, dass die Einrichtungen unterschiedlich agieren und z.T. weiterhin sehr restriktive Beschränkungen praktizieren (1 Besuch/Woche für 20 Minuten durch eine feste Person).
Der SoVD hat große Sorge, dass mit den allgemeinen Lockerungen die Interessen der in Einrichtungen lebenden Menschen zunehmend ins Hintertreffen geraten: Die Betroffenen können sich politisch wenig Gehör verschaffen und die Interessen der Einrichtungen müssen nicht zwingend mit Bewohnerinteressen übereinstimmen. Zu Recht hat jüngst z.B. die Gesundheitsminister-konferenz auf notwendige Lockerungen und Schutzkonzepte gedrängt

Nach wie vor besteht das Problem, dass die Umsetzung einrichtungsbezogen erfolgt. Es fehlt ein Überblick, inwieweit die Schutz und Lockerungskonzepte umgesetzt sind. Dadurch bleibt das Thema auf Bundesebene wenig transparent und greifbar und generiert wenig Handlungsdruck.
4. Verschlechterungen bei der Teilhabe an Arbeit

Coronabedingt steigt die Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser schon jetzt deutlich an. Waren es im März 2020 noch 157.000, so stieg ihre Zahl im Juni 2020 bereits auf 174.000! Die Junizahlen liegen um 12,5 % höher im Vergleich vom Vorjahres-Juni. Zwar war der Anstieg bei nicht behinderten Arbeitslosen noch höher (+ 28 %). Aber regelhaft erfolgt der Anstieg bei schwerbe-hinderten Menschen oft zeitverzögert, so dass weitere Verschlechterungen auf dem Arbeits-markt zu befürchten sind.

Die BIH (BAG der Integrationsämter) prognostiziert für 2020, dass die Einnahmen aus der Ausgleichsabgabe auf 80 % und für 2021 sogar auf 50 % absinken! Damit stünden mittelfristig deutlich weniger Gelder zur Verfügung, die behinderten Menschen für arbeitsbegleitende Hilfen, Arbeitsassistenz o.ä. beanspruchen konnten, was die Gefahr weiterer Entlassungen nach sich ziehen wird.
Zugleich steigt nach wie vor die Zahl der Unternehmen mit 0 % Schwerbehinderten (43.000 Unternehmen mit 0 %, d.h. 25 % aller Unternehmen (+ 1.000 zum Vorjahr)). Das BMAS hat
bereits angekündigt, seine bundesweite Bewusstseinskam pagne „Einstellung zählt“, die sich gezielt an diese Unternehmen richtet, einzustellen. Mit Sorge sieht der SoVD, dass aktuell 130.000 Unternehmen ihre 5%-Quote nicht erfüllen. Das sind 3.000 mehr als im Vorjahr.
Überdies drohen derzeit große Rückgänge bei BA-Förderungen (z.B. bei besonderen Reha-Maßnahmen –2,1 %, bei Probebeschäftigung –48 %, bei Ausbildung –5 % und beim Eingliederungszuschuss Schwerbehinderung –2,4 %).

Der SoVD sieht die große Gefahr, dass das Signal ausgesendet wird, Menschen mit Behin-derungen müssten in der Krisenzeit jetzt hinten-anstehen („wir haben größere Sorgen“).
Stattdessen fordert der SoVD, dass die Krise zu einem „Ruck für Teilhabe“ wird: Unternehmen, die jetzt gefördert werden, müssen auch gefordert werden, ihre gesetzlichen Pflichten zu erfüllen.
Hier muss auch die Beschäftigung schwerbe-hinderter Menschen politisch klar eingefordert und unterstützt werden. Konkrete Maßnahmen, um dies umzusetzen, sieht der SoVD in der Schaffung von Ansprechstellen zur Unterstützung der Unternehmen sowie in der Verdopplung der Ausgleichsabgabe (Anreizfunktion). Zusätzlich braucht es eine 4. Stufe der Ausgleichsabgabe für jene Unternehmen, die trotz Gesetzespflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen be-schäftigen. Dies würde auch dazu beitragen, die Belastungen zwischen den Unternehmen auszugleichen (Ausgleichsfunktion der Aus-gleichsabgabe).
Zudem braucht es jetzt gezielt Förderprogramme in Bund und Ländern, um Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung schwerbehinderter Menschen gezielt zu unterstützen sowie ihre Vermittlung und Eingliederung zu befördern. Die Bundesagentur für Arbeit darf ihre Förderung nicht zurückfahren, sondern muss diese im Gegenteil ausweiten. Das gilt auch für qualifizierte Reha-Leistungen im Bereich der Ersteingliederung sowie der Wieder-eingliederung. Die BA trägt in besonderer Weise Verantwortung, berufliche Teilhabe und Inklusion zu ermöglichen und so drohenden gesellschaft-lichen Spaltungen entgegenzuwirken

5. Bildungsungerechtigkeit verstärkt sich
Die coronabedingten Schulschließungen haben die große Gefahr deutlich gemacht, wie schnell Kinder aus sozialbenachteiligten Familien – und dies betrifft viele Kinder mit sonderpädagogi-schem Förderbedarf – von gleichberechtigter Bildungsteilhabe ausgeschlossen sind bzw. sein können. Homeschooling setzt umfangreiche Ressourcen bei den Kindern und ihren Familien voraus, die jedoch oft gar nicht zur Verfügung stehen: Es braucht nicht nur ausreichend Rückzugsraum zum Lernen in der Wohnung, sondern auch digitale Geräte, Zugang zum Netz, Übung im Umgang mit den neuen Medien, fachliche Unterstützung durch Eltern etc. Manche Kinder mit Behinderungen benötigen zudem Schulassistenz, die jedoch in vielen Fällen beim Zuhauselernen verwehrt wurde.
Der SoVD betont, dass digitale Unterrichtsformate den Präsenzunterricht nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen dürfen. Für Kinder aus sozialbenachteiligten Familien und mit Behinderungen müssen deren Bedürfnissen entsprechende (ggf. individuelle) Lösungen gefunden werden. Benachteiligungen bei Zugang zu Bildungsangeboten darf es nicht geben.
6. Fortschritte bei Barrierefreiheit notwendig
Das Krisenbewältigungs- und Investitionspaket der Bundesregierung ist mit 130 Mrd. € enorm umfangreich und wird Wirtschaft und Gesellschaft für Jahre prägen. Es ist ein Zukunftspaket, von dem alle profitieren sollten. Als solches sollte es auch entscheidende Impulse für Barrierefreiheit (querschnittlich) in allen Handlungsfeldern setzen. Konkrete Anknüpfungspunkte bieten insbesondere folgende Bereiche bzw. Maßnah-men: Vergaberecht (§ 23 BHO, Zuwendungsrecht, Nebenbestimmungen: Barrierefreiheit verpflichtend verankern), ÖPNV- Kapitalerhöhung Deutsche Bahn (1 Mrd. €), Ausbau der digitalen Verwaltung (10 Mrd. €), digitale Angebote im Bereich Kunst/Kultur (1 Mrd. €), Stützung des ÖPNV (2,5 Mrd. €), Investitionen in Sportstätten (150 Mio. €), Ausbau von Kita und Ganztags-schulen (1 + 2 Mrd. €)
Für das Krisen- und Zukunftspaket braucht es jetzt kurzfristig einheitliche Vorgaben zum Ziel „Barrierefreiheit“ aus dem Bundeskanzleramt. Die rechtliche Verpflichtung dazu ergeben sich aus § 1 Abs. 2 Behindertengleichstellungsgesetz, denn öffentliche Träger müssen die Ziele des Gesetzes bei Maßnahmen aktiv fördern. Dies gilt auch bei Zuwendungen an Private. Zudem muss die Um-setzung konsequent überwacht, unterstützt und begleitet werden, damit zukünftig auch transpa-rent wird, wo bereits Barrierefrei-Veränderungen erfolgt sind und wo noch weitergehender Hand-lungs- und Investitionsbedarf besteht.
Das vom BMAS geplante Bundesprogramm Barrierefreiheit leistet das in der bislang geplan-ten Ausrichtung nicht: Es soll erst langfristig (nächste Legislaturperiode) aufgesetzt werden und inhaltlich sind lediglich Modellprojekte, die Unterstützung der Fachstelle und Bewusstseinsbildung im privaten Sektor beabsichtigt. Dieser Ansatz wird dem Zukunftsthema Barrierefreiheit kurzfristig nicht ausreichend gerecht.
7. Gefahr zunehmender sozialer Spaltung und Ausgrenzung
Schon jetzt stehen Grundsicherungsempfänger durch Corona unter enormem finanziellen Druck (Tafeln fielen weg, kostenloses Mittagessen für Kinder entfiel, steigende Ausgaben, z.B. für Ener-gie durch Zuhausebleiben, deutlich steigende Lebenshaltungskosten (Lebensmittel, Friseur etc.). Bisher griff die Regierung die Forderung des SoVD, einen Zuschlag von 100 € zur Grund-sicherung zugunsten der Betroffenen zu gewäh-ren (#100EuroMehrSofort), jedoch nicht auf. Während für andere Interessengruppen der Handlungsbedarf erkannt und z.B. Schutzschirme aufgespannt wurden, wurde für die Gruppe der Ärmsten nach Ansicht des SoVD bislang noch zu wenig getan. Ergänzend verweist der SoVD auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass von Armut bedrohte Menschen ein erhöhtes Risiko tragen, sich mit Corona zu infizieren. Beengter Wohnraum, das Angewiesensein auf den ÖPNV u.a. begünstigt Infektionen. Es besteht die Gefahr der Stigmatisierung bestimmter Gruppen.
Mit Sorge sieht der SoVD die Gefahr der Entsolidarisierung in Lockerungsprozessen, den die Bundesländer verantworten. Menschen treffen wieder in größerer Zahl aufeinander. Manche halten dabei das Mindestabstandsgebot oder auch die Pflicht, einen Mu
nd-Nasen-Schutz zu tragen, nicht ein. Das kann Ängste und der Druck bei vulnerablen Gruppen verstärken, wegen drohender Ansteckung zu Hause und damit vom öffentlichen Leben ausgeschlossen zu bleiben. Hierzu könnte auch der Immunitätsausweis verstärkend beitragen, der politisch diskutiert wurde und möglicherweise weiter diskutiert wird.
Abschließend verweist der SoVD darauf, dass die wirtschaftlichen Folgen der Krise noch nicht absehbar sind, sich jedoch zunehmend andeuten. Bereits jetzt steigen die Arbeitslosen-zahlen. Federt das Kurzarbeitergeld nicht mehr ab, drohen sie weiter erheblich anzusteigen. Die Existenz-ängste der Menschen nehmen zu.
Die aktuellen Entwicklungen werden den finanziellen Druck auf die
Druck auf die Sozialver-sicherungssysteme erheblich erhöhen: Bei der BA können steigende Ausgaben und sinkende Einnahmen dazu führen, dass Qualifizierungs- und Vermittlungsbemühungen reduziert werden, die Eingliederungschancen damit sinken und infolgedessen mehr Menschen in Langzeitarbeits-losigkeit geraten. Der Zugang zu notwendigen Leistungen der Rehabilitation kann enorm erschwert werden.
Auch im Bereich der GKV sieht der SoVD diese Gefahren. Der finanzielle Druck ist bereits jetzt erkennbar. Mittelfristig besteht die Gefahr der politischen Diskussion um Leistungseinschränkungen. Das würde eine weitere Privatisierung gesundheitlicher Risiken bedeuten. Dem muss die Politik entschlossen und frühzeitig entgegen-treten.
8. Gerechte Bezahlung gesellschaftlich wichtiger Tätigkeiten steht aus
Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, wie existenziell wichtig die Gesundheits- und Pflege-berufe sowie die Sorgearbeit für eine Gesell-schaft sind. Corona muss Anlass sein, endlich eine gerechte Bezahlung der dort Tätigen zu erreichen. Einmalige Prämien mögen eine kleine Anerkennung signalisieren, eine gerechte Bezahlung machen sie aber nicht entbehrlich. Jetzt ist es an der Zeit, diese Tätigkeiten, die vor allem von Frauen geleistet werden, gesellschaftlich aufzuwerten und gerecht zu entlohnen. Einen finanziellen Ausgleich brauchen auch Angehöri-ge, die die Betreuung der pflegebedürftigen Men-schen oder der Menschen mit Behinderungen übernommen haben, weil die Einrichtung coro-nabedingt geschlossen ist und sie deshalb nicht mehr arbeiten können. Positiv ist, dass die Ent-geltfortzahlungsregelung nach § 56 Infektions-schutzgesetz bereits ausgeweitet wurde auf Eltern, die ihre volljährigen Kinder mit Behinderungen betreuen müssen. Allerdings bleiben andere Angehörige außen vor und auch der Einkommensverlust wegen notwendiger Pflege z.B. der eigenen Eltern wird bislang nicht aus-geglichen.
9. Große Belastungen für Frauen anerkennen und ausgleichen
Der SoVD betont, dass Frauen in besonderer Weise die Folgen der Corona-Krise getragen haben und weiter tragen. Sie arbeiten nicht nur in den gesellschaftlich besonders wichtigen
Gesundheits- und Pflegeberufen und im Handel. Sie sind es auch, die „daneben“ den ganz über-wiegenden Anteil der Pflege von Angehörigen übernehmen, das Homeschooling der Kinder absichern und den Haushalt managen. Haben sie Kinder mit Behinderungen, sind sie noch zusätzlich gefordert, weil Therapieangebote u.a. entfal-len. Die Belastungen in den Familien sind z.T. enorm: Überlastungssituationen, häusliche Enge, Existenzängste, fehlende externe Hilfe- und Unterstützungsstrukturen u.a. können das Konfliktpotenzial in der eigenen Häuslichkeit massiv erhöhen. Mit Sorge sieht der SoVD, dass Bedrohungen und Gewalt in der Familie, insbe-sondere gegen Kinder und Frauen, in der Corona-Zeit messbar angestiegen sind.
Hier braucht es dringend Entlastungsangebote im Alltag für die Betroffenen sowie zusätzlich auch rehabilitative Angebote, die den o.g. enormen Belastungen Rechnung tragen.

Quelle: SoVD - Bundesgeschäftsstelle
Abteilung Sozialpolitik