Damper Erklärung

                                             Damper Erklärung  -   

             Grundsatzforderungen zur Sozialpolitik für eine                                   solidarische Gesellschaft!
 

Die Delegierten der 20. Landesverbandstagung des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) in Schleswig-Holstein haben die folgende sozialpolitische Resolution verabschiedet.
 
Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der solidarischen Gesellschaft in unserem Land geleistet werden.
 
Die Solidarität in der Gesellschaft zu stärken ist das Gegenmodell zur vorherrschenden neoliberalen Wirtschaftspolitik. Nicht der ökonomische Wettbewerb jeder gegen jeden, nicht die zum Teil rücksichtslose Förderung des privaten Gewinns darf vorherrschen. Wer Banken mit Milliarden Euro an Steuergeldern rettet und Armen nicht hilft, sondern sie zu den Tafeln schickt, der legt den Sprengsatz an das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird durch Solidarität gestärkt. Der soziale Frieden wird durch Ausgleich zwischen Arm und Reich, Starken und Schwachen gesichert. Wer den sozialen Frieden sichert, stärkt gleichzeitig die Demokratie.
Der SoVD Schleswig-Holstein beobachtet mit Sorge die sozialpolitische Entwicklung in Deutschland. Der Wirtschaftsaufschwung ging und geht an vielen Menschen vorbei. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Üppigsten Managergehältern stehen prekäre Beschäftigungsverhältnisse jeglicher Art, wie Dumping-Löhne, Mini-Jobs, befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit, gegenüber. Während Manager die Unternehmen ruinieren, Arbeitsplätze vernichten und Kapital im großen Stil verbrennen, mit Millionen hohen Abfindungen und Rentenzahlungen bedacht werden, müssen Arbeitnehmer/innen den Absturz in das Fürsorgesystem Hartz IV befürchten.
Die Veränderungen im Gesundheitswesen haben den Zugang zu notwendigen Gesundheitsleistungen für viele gesetzlich Krankenver-sicherte erschwert. Die Privatisierungen und die Durchsetzung von Marktwirtschaft und Wettbewerb im Gesundheitswesen erweisen sich als Irrweg. Eigenbeteiligungen und Zuzahlungen sind für viele Menschen unüberwindbare bzw. schwer zu nehmende Hürden. Der Trend zur Zwei- bzw. Drei-Klassen-Medizin schreitet voran.
Für pflegebedürftige Menschen in Deutschland ist eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige Pflege nach wie vor nicht gesichert. Das Pflegepersonal wird unverändert zu schlecht bezahlt und die öffentliche Anerkennung für ihre Leistung ist immer noch ungenügend. Auch die umfassende berufliche und gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen ist noch immer nicht gewährleistet.
 
Armut bekämpfen!
Die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung müssen auch zukünftig den Lebensstandard im Alter gewährleisten. Dieses Ziel darf nicht der Beitragsstabilität untergeordnet werden. Die Rentenanpassungen müssen der Lohn- und Gehaltsentwicklung folgen; es darf keine weiteren Rentenkürzungen mehr geben. Das durch politischen-parlamentarischen Beschluss abgesenkte Rentenniveau muss wieder erhöht werden. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung ist abzuschaffen. Die Rentenzahlungen werden auf einen Höchstbetrag von 3.500 Euro begrenzt.
Der SoVD warnt seit Jahren vor der Altersarmut. Sie nimmt stetig zu und der Gang zum Sozialamt wird künftig von noch mehr Menschen

beschritten werden müssen. Es ist höchste Zeit zum Handeln.

Von Altersarmut besonders betroffen sind Frauen in Dienstleistungsberufen, wie zum Beispiel im Reinigungsgewerbe oder im Gastronomiebereich, alleinerziehende Frauen, Langzeitarbeitslose, Mini-Jobber, Teilzeitbeschäftigte, erwerbsgeminderte Menschen und  Hinterbliebenenrentnerinnen. Altersarmut und die Angst vor der Altersarmut dringt immer weiter in die gesellschaftliche Mittelschicht ein und ist ein politisches Gift für die freiheitliche, demokratische Verfassung der Gesellschaft.
Wer Armut bekämpfen will, muss mit dem Kampf gegen die wachsende Kinderarmut beginnen. Es ist beschämend, wie viele Kinder in Hartz IV Familien aufwachsen müssen. Viele von ihnen finden allein, ohne Hilfe der Gesellschaft nicht den Weg aus der Armut heraus. Ihre Bildung ist oft schlechter, viele landen später in prekären Beschäftigungsverhältnissen und dann letztendlich in Altersarmut. Das ist eine Schande für eine der reichsten Industrienationen der Welt. Es muss jetzt gehandelt werden.
Wer Armut bekämpfen will, muss den prekären Jobs den Kampf ansagen. Kein working poor mehr. Wir fordern die Gewerkschaften, die Tarifpartner auf, stärker für Existenz sichernde Löhne zu kämpfen und durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen den Unternehmen die Möglichkeit zum Unterlaufen von Tarifverträgen zu verwehren. Die Löhne für die Frauen müssen steigen. Diese Forderung darf nicht nur am Internationalen Frauentag und dem Equal Pay Day erhoben werden. Nur durch höhere Löhne können später Existenz sichernde Renten gezahlt werden.  
Wer Armut bekämpfen will, muss vorbeugende Maßnahmen gegen die individuelle Schuldenfalle ergreifen. Eine rechtzeitige Budgetberatung, mit staatlicher Finanzhilfe von sozialen Verbänden und Einrichtungen oder von Kommunen durchgeführt, kann den Weg in die Armut verhindern.
Wer Armut bekämpfen will, der muss für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Durch hohe Mieten und hohe Kosten für Häuser und Grundstücke werden immer mehr Menschen in Armut rutschen. Der massenhafte Verkauf von Wohnungen an Investoren und Investmentfonds war falsch. Es muss dringend wieder ein sozial geförderter und kommunaler Wohnungsbau stattfinden. Der politische Handlungsbedarf ist groß und akut.
Als Sofortmaßnahme gegen die Altersarmut im Rentenalter fordert der SoVD die Einführung eines Freibetrags in der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss mehr als nur Grundsicherung haben. Der Freibetrag sollte bis zu 212 Euro betragen, so wie es heute schon bei den Betriebsrenten der Fall ist.
Mittel- und langfristig muss die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden, um den zunehmenden Versicherungslücken durch prekäre Beschäftigungsformen Einhalt zu gebieten. Die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten müssen abgeschafft werden, damit krankheits- und behinderungsbedingte Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit nicht zu einem Armutsrisiko werden. Auch für Zeiten des Hartz IV Bezugs sind wieder sachgerechte Rentenversicherungsbeträge zu entrichten.
 
Teilhabe von Menschen mit Behinderung sichern!
Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu erreichen.
Erste Voraussetzung für Chancengleichheit von jungen Menschen mit Behinderung ist ihre Integration in die Regeleinrichtungen der vorschulischen und schulischen Bildung. Im Sinne einer umfassenden Inklusion muss gemeinsames Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung von Anfang an gewährleistet sein. Die politischen Gremien werden aufgefordert, ihre Anstrengungen in diesem Bereich zu verstärken.

Private und öffentliche Arbeitgeber müssen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung mehr als bisher gerecht werden. Das bestehende Fördersystem muss von den Leistungsträgern und den Arbeitgebern offensiv eingesetzt werden, um Menschen mit Behinderung Chancen für eine qualifizierte Ausbildung und Beschäftigung zu sichern. Die Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX muss mit Nachdruck umgesetzt werden. Hierzu ist es notwendig, die Ausgleichsabgabe nach

§ 160 Abs. 1 SGB IX deutlich zu erhöhen. Hierzu soll der Mindestlohn als Berechnungsgröße herangezogen werden.
Die teilhabeorientierte Politik mit den Zielen der Gleichstellung und Barrierefreiheit ist konsequent fortzusetzen. Der SoVD fordert deutlich mehr Anstrengungen, um ein inklusives gesellschaftliches Miteinander Realität werden zu lassen.
 
Ältere Arbeitnehmer/innen eingliedern statt ausgrenzen!
Der SoVD setzt sich dafür ein, dass die Altersgrenze in der Rentenversicherung nicht über 67 Jahre hinaus angehoben wird. Schon die jetzige Altersgrenze von 67 Jahren wird von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht erreicht bzw. das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ist mit entsprechend hohen Abschlägen verbunden. Nach wie vor ist zu beobachten, dass ältere Arbeitnehmer/innen vorzeitig aus dem Erwerbsleben hinausgedrängt werden, weil sie für die Unternehmen teurer sind als jüngere Arbeitnehmer/innen, sie gesundheitliche Einschränkungen haben oder dem wachsenden Arbeitsdruck psychisch und physisch nicht mehr gewachsen sind.
Die vorzeitige Verrentung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss gestoppt werden.
Dazu ist es erforderlich, alternsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, mehr für den betrieblichen Gesundheitsschutz zu tun, die Leistungsfähigkeit durch entsprechende Maßnahmen zu erhöhen – zum Beispiel ab dem 50. Lebensjahr haben alle Arbeitnehmer/innen alle drei Jahre Anspruch auf vier Wochen bezahlte GesundheitsvorsorgeReha – und durch Weiterbildung die Arbeitnehmer/innen für die digitale Arbeitswelt fit zu machen.
Der Stopp für die Frühverrentung gilt in besonderer Weise für die Zwangsverrentung von Hartz IV Beziehenden. Das Leistungsrecht der Grundsicherung nach SGB II muss so ausgerichtet werden, dass ältere Arbeitslose weder faktisch noch rechtlich gezwungen sind, Frührenten mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Die Bezugszeiten für ältere Arbeitslose beim Arbeitslosengeld I nach dem SGB III müssen verlängert werden.
Weder Arbeit noch Arbeitslosigkeit dürfen arm machen. Der gesetzliche Mindestlohn muss deutlich erhöht und dann fortlaufend und ausreichend aktualisiert werden. Die Fehlentwicklungen beim ALG II müssen umgehend beseitigt werden: Langzeitarbeitslose brauchen Perspektiven für eine sozialversicherungspflichtige und dauerhafte Beschäftigung.     

Das Leistungsniveau beim ALG II muss den Betroffenen ein Leben in der Mitte unserer Gesellschaft ermöglichen.
 
Pflegereform jetzt!
Der SoVD hält eine grundsätzliche Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung für unverzichtbar, um Defizite zu beseitigen und den bestehenden erheblichen Qualitätsmängeln entgegenzutreten.
Die erfolgte Umstellung auf fünf Pflegegrade reicht hier bei weitem nicht aus. Wichtigstes Ziel muss es sein, die Finanzierung der Pflege auf ein deutlich höheres Niveau als heute zu heben und damit das Pflegesystem langfristig zu stabilisieren.
Neben der Beitragsfinanzierung der Pflege sind dazu auch Steuergelder erforderlich. Der SoVD setzt sich deshalb dafür ein, im Rahmen einer solidarischen Gesellschaft für mehr Steuergerechtigkeit einzutreten, d.h. auch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Sicherung unserer Sozialsysteme ist ebenso ins Auge zu fassen wie eine grundgesetzkonforme Vermögenssteuer und eine steuerliche Heranziehung multinationaler Konzerne, die immer noch in skandalöser Weise zur Minderung ihrer Steuerzahlungen in günstigere Steueroasen ausweichen können.  
Wir treten dafür ein, dass ernsthaft eine Rekommunalisierung der Pflege diskutiert wird. Damit die qualitativ hochwertige Pflege, die gute Bezahlung der Pflegekräfte im Mittelpunkt stehen und nicht die Höhe der Rendite an die privaten Investoren der Einrichtungen.
Wir begrüßen die Bundesratsinitiative der Landesregierung, das derzeitige „Teilkaskoprinzip“ in der stationären Pflege zu einem „Vollkaskoprinzip“ weiter zu entwickeln. Da die meisten Pflegebedürftigen zu Haus gepflegt werden, muss auch die ambulante Pflege gestärkt werden. Zur Finanzierung schlagen wir vor, den Solidaritätszuschlag mittelfristig in einen Solidarpakt Pflege umzuwandeln. Dadurch kämen rund 18 Milliarden Euro mehr ins System – zum Wohle der zu Pflegenden, deren Angehörigen und den in der Pflege Beschäftigten. Wir sind sicher, dass ein Solidarpakt Pflege auf große Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde.
 
 Solidarische Krankenversicherung stärken!
Der SoVD tritt dafür ein, die gesetzliche Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung weiter zu entwickeln. Die Beitragsbemessungsgrenze ist abzuschaffen. Die Existenz von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen fördert die Zwei-Klassenmedizin und muss deshalb aufgehoben werden.

Eine solidarische Krankenversicherung und mehr Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen passt nicht zusammen. Zur Verbesserung der Gewinnsituation haben die Krankenversicherungen als Stellschrauben die Gehälter ihrer Beschäftigten und die Leistungsausgaben für ihre Versicherten. Ökonomischer Wettbewerb und solidarisches Verhalten schließen sich gegenseitig aus.

Auch die Krankenhäuser, die im großen Stil privatisiert wurden, orientieren sich vorrangig an der Rendite für die Aktionäre und Anteilseigner und nicht am Wohl des Patienten. Der SoVD setzt sich dafür ein, dass wieder der Patient im Mittelpunkt des Gesundheitssystems steht und nicht die Gewinnmaximierung. Auch im Bereich der Krankenhäuser ist eine Rekommunalisierung ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn anders das Ziel eines menschenwürdigen Krankenhauses nicht zu erreichen ist.
 
Zukunftsdebatte
Der SoVD fordert von Politik und Gesellschaft, von sozialen Verbänden und Einrichtungen, Gewerkschaften und Arbeitgebern eine umfassende Diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt, das gesellschaftliche Zusammenleben und die Sozialversicherungssysteme. Der SoVD muss diese Diskussionen mit Blick auf die Sozialversicherungen vorantreiben, um unsere soziale Sicherung für die Zukunft aktiv zu gestalten und um später auf die Entwicklungen und Veränderungen nicht nur reagieren zu können.
 
Damp, 15. Juni 2019